Das VHÖ Frühjahrsseminar 2019 in Salzburg stand im Zeichen der Demenzerkrankung in Zusammenhang mit einem Hörverlust, der Hörfitness und kognitiven Fähigkeiten, bimodaler Anpassmethoden von Hörsystemen, der Neufassung der ÖNORM EN ISO 7029 und einer aktuellen EU Verordnung, welche besonders die Abgabe von Gehörschutz betrifft.
VHÖ Präsident Ing. Thomas Aigner und Vorstandsmitglied Fritz Zajicek begrüßten im Wyndham Grand Hotel Salzburg Conference Centre das Auditorium und wiesen auf den Stellenwert permanenter Fortbildung hin.
Demenz in der Hörakustik
Dipl. Ing. Sigrid Meier M.A., Hörakustikermeisterin/Pädakustikerin, Dozentin an der Akademie für Hörakustik
Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns. Sie führt zum Verlust der Geistes- und Verstandsfähigkeiten und zu einer Verschlechterung der Gedächtnisleistungen, der Sprache und des persönlichen Geschicks. In Österreich wurden im Jahr 2020 90.500 Demenzpatienten erfasst. Bis zum Jahr 2050 rechnet man mit 262.300 Betroffenen. Folgt man dieser Prognose, so werden 60.500 Österreicher pro Jahr an Demenz neu erkranken. Etwa 60 bis 80% der Patienten leiden dabei an der Form der Alzheimer-Demenz.
Risikofaktoren für die Demenzerkrankung stellen Alkoholsucht, Diabetes, erkrankte Herzkranzgefäße, hohes Cholesterin, Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen aber auch ein Hörverlust dar.
Studien am John Hopkins Zentrum haben zudem einen Zusammenhang zwischen Hörverlust und einer eingeschränkter Gedächtnisleistung nachgewiesen. Gegenüber Normalhörenden wurde ein Abbau der geistigen Fähigkeiten mit bis zu 41% Beschleunigung der Krankheit beobachtet.
Gedächtnisambulanzen dienen zur Früherkennung, zur differenzialdiagnostischen Abklärung nebst Behandlung von Gedächtnisstörungen sowie der Betreuung. In mehreren österreichischen Bundesländern wird eine Nachbehandlung und Beratung von Betroffenen und deren Angehörigen angeboten.
Einige Symptome der Demenz – wie Worterkennungsstörungen, Scham und Angst, Gedächtnisstörungen, Misstrauen auffällige Kommunikation und sozialer Rückzug – zeigen Parallelen zu einer Hörbeeinträchtigung.
Für die Anpassung riet Meier bei der Audiometrie die Einweisung immer wieder zu wiederholen, diese mit Gesten zu unterstreichen, den Blickkontakt ständig zu halten und das Wichtigste zu Beginn umzusetzen. Sie unterstrich, dass es besser sei weniger Frequenzen sicher zu messen als viele unsichere Punkte zu erfassen.
Hörfitness und kognitive Fähigkeiten
Ralph Warnke , MediTECH Electronic GmbH, Wedemark
Meidung anstrengender Hörsituatonen, schwindendes peripheres Hörvermögen, verkümmernde zentrale Hörfunktionen, Schlaganfall und der Verlust an Kommunikation können zu einem Verlust des Sprachverstehens führen.
„Das moderne Konzept der Hörfitness basiert auf drei Säulen – der Audioanalyse, der Hörtherapie und dem Hörtraining“, erklärte Warnke. Die eingehende Analyse findet mittels einer Smartphone-App statt. Damit können Kunden in wenigen Minuten herausfinden wie fit das individuelle eigene Hörvermögen aktuell ist. Im Weiteren erfolgt eine Art Gymnastik für das Ohr. Trainiert wird mit Hilfe von Hörtakt, Tonfolgen, Richtungshören, Tonhöhen, Abfolge von Links-Rechts-Klicks, Ton- und Pausenlängen.
„Die Nutzung der App führt zu einer Steigerung der Vitalität, zu einem regelmäßigen Tragen der Hörsysteme, zu einem besseren Sprachverstehen in kürzerer Zeit und die Fähigkeit eine bewusstere Entscheidung für das optimale Hörsystem zu treffen. Durch ein anschließendes, dauerhaftes und gezieltes Training kann die Hörfähigkeit weiter verbessert und erhalten werden“, erklärte Warnke. Idealerweise führen die Nutzer in der Hörtherapie täglich ein 15 bis 30minütiges Training durch. Eines der angestrebten Ziele ist, die Anprobe von Hörsystemen deutlich zu erleichtern.
Ein praktischer Teil des Vortrages war ein gemeinsames Demotraining des Auditoriums. „Die Nutzung von Hörfitness ist wichtig um die Erhaltung und Stärkung der geistigen Fitness zu fördern, den Verlusts der Verstehensleistung zu minimieren, die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen, die Hörwahrnehmung zu steigern und die Verbesserung der Reaktionsleistung zu verbessern“, betonte Warnke.
Bimodale Anpassung – Hintergründe und Nutzen
Klemens Zimmermann, GN Hearing Austria GmbH, Wien
Die Kombination aus einem Cochlea-Implantat in einem Ohr und der Weiterverwendung eines Hörsystems am anderen Ohr kann die Hörleistung erheblich verbessern. In der Studie „Bimodal benefit for cochlear implant listeners with different grades of hearing loss in the opposite ear“ mit 148 Bimodalträgern, die auf einer Seite ein Implantat hatten und auf der anderen mit einem Hörsystem versorgt wurden, konnte dies konkret bestätigt werden. Untersucht wurde mit dem Göttinger Satztest in Ruhe. Die Verwendung eines Hörsystems ist demnach offensichtlich auch bei Implantaten sehr sinnvoll.
„Bimodale Hörlösungen bieten zwei Modi, zwei Disziplinen und eine Herausforderung“, so Zimmermann. „Hörsysteme werden also auch zukünftig einen wesentlichen Beitrag leisten.“
Otoskopie, Indikationen für Mittelohr- und CI-Implantate, bimodale Versorgung
Dr. Sebastian Rösch, Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, Landeskranken- haus, Salzburg
Bei bestimmten otoskopischen Befunden ist eine rasche Überweisung zum HNO-Arzt indiziert. Auf was es ankommt zeigte Dr. Rösch zeigte in seiner Präsentation. Er wies – neben der Limitation durch Handotoskope – darauf hin, auf was bei der Betrachtung des Gehörgangs besonders zu achten ist.
So sind bei der Otoskopie einige Aspekte besonders zu beachten. Dazu gehören eine gute Sicht auf das Trommelfell, ein Variieren des Sichtfeldes, die Beschaffenheit der Gehörgangshaut, das Niveau des Trommelfells und sichtbare Veränderungen hinter dem Trommelfell.
„Achten Sie vor allem auf chronische, schmerzlose Otorrhoe“, empfahl Rösch, da hier massive Pathologien unterliegen können und eine sofortige Kontrolle durch einen HNO-Facharzt indiziert ist.
Im zweiten Teil des Vortrages erklärte der Referent die Indikationsstellung für Mittelohr- und Cochlea-Implantate. Die Entscheidungsfindung erfolgt dabei immer interdisziplinär. Wichtig ist eine gezielte Aufklärung. Diese beinhaltet die zu erwartenden Vorteile, die Geräteeigenschaften, der Umgang mit dem externen Sprachprozessor, die Notwendigkeit einer aktiven Lernphase des Hörens mit Implantat und die Nebenwirkungen einer solchen Operation.
Indikationen für ein Cochlea-Implantat stellen ein Freiburger Sprachtest bei 65 dB SPL mit Hörsystem dar und Einsilber kleiner gleich 40% unabhängig von den Zahlen, Ausschluss von Malformationen mittels MR und CT die eine Implantation unmöglich machen und objektive Messverfahren insbesondere Hirnstammaudiometrie.
Die häufigsten Indikationen für Mittelohr-Implantate stellen eine Innenohrschwerhörigkeit bei gleichzeitiger Unverträglichkeit eines Hörsystems, eine Schallleitungsschwerhörigkeit oder kombinierte Schwerhörigkeit bei Mittelohpathologien – wie zum Beispiel bei einem Cholesteatom – und Missbildungen dar.
Etwa 60% aller mit einem Cochlea Implantat versorgten Patienten tragen auf der anderen Seite ein Hörsystem – sind also bimodal versorgt. Die Vorteile in der bimodalen Versorgung liegen in der verbesserten Lokalisation bzw. Lateralisation und im besseren Verstehen der Sprache im Störlärm. Des Weiteren sind die Tonhöhenwahrnehmung und die Klangqualität deutlich verbessert. „Unsere bimodal versorgten Hörbeeinträchtigten sind die glücklichsten Patienten“, erklärte Rösch.
Bei der Anpassung sind einige Besonderheiten zu beachten. So tendieren die Hersteller zur Verbindung beider Geräte. Der Frequenzgang sollte aufeinander abgestimmt sein. Wiewohl es noch keinen nachgewiesenen Nutzen gibt, sollte eine Lautstärkenbalance realisiert werden. Eine Synchronisierung der Algorithmen zur Signalverarbeitung sollte zwischen den beiden Geräten gleich sein.
Bei der Kooperation zwischen Klinik und Hörakustiker sieht Rösch als primäres Ziel die Hörsysteme optimal einzustellen und sich gegebenenfalls auf tiefe Frequenzen zu konzentrieren. Auch muss das Ohr mit dem Hörsystem weiter beobachtet werden. Die CI Testung soll auch durch den Hörakustiker durchgeführt werden.
Neufassung der ÖNORM EN ISO 7029 und die EU Verordnung 2016/425
Fritz Zajicek, Wien
Die ÖNORM EN ISO 7029 gibt unter anderem Referenzwerte an, auf dessen das normale, alterstypische Gehör beurteilt werden kann. Die Datenbasis erfolgte aufgrund elf empirischer Studien aus mehreren Ländern im Zeitraum von 1980 bis 2012. Dabei nahmen 6.565 Männer und 17.934 Frauen teil. Das Alter der Studienteilnehmer betrug von 15 bis 96 Jahren.
Interessant dabei ist, dass bei Betrachtung der Neufassung die Männer im Hochtonbereich um bis zu 10 dB besser hören. Bei den 70jährigen Frauen ist die Hörschwelle signifikant besser im Vergleich zur Datenbasis aus den Jahren von 1960 bis 1990. In diesem Zusammenhang steht die Vermutung im Raum, dass die Arbeitsumwelt einst lauter war und der Gehörschutz heute flächendeckend besser eingesetzt wird als früher.
Die EU Verordnung 2016/425 regelt die persönliche Schutzausrüstung und damit auch ihre Auswirkung auf die Abgabe von Gehörschutz. Sie ersetzt die EU-Richtline 89/686/EWG von 1989, die nur für Arbeitnehmer Geltung hatte.
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) dient – per Definition – um von einer Person als Schutz gegen ein oder mehrere Risken für dessen Gesundheit oder Sicherheit getragen oder gehalten zu werden. Alle ab dem 21. April 2019 in den Verkehr gebrachte PSA’s müssen dieser neuen Verordnung entsprechen. Dies gilt auch für Gehörschutz – selbst wenn er von Personen für die ausschließlich private Nutzung gekauft wird. PSA’s werden in der EU Verordnung 2016/425 in drei Risikokategorien eingeteilt. Schädlicher Lärm ist in der höchsten Kategorie III eingestuft. Jeder Gehörschutz muss in Folge mit dem Grad der Dämpfung des Schallpegels gekennzeichnet sein. Ist dies am Gehörschutz unmöglich, so muss dies auf der Verpackung erfolgen.
Hörakustiker sind Händler und müssen laut Artikel 13 der Verordnung den Marktüberwachungsbehörden jene Hersteller und Großhändler von denen bezogen wurde und jene Personen an denen sie den Gehörschutz verkauft haben, auf Verlangen der Behörde zehn Jahre ab Bezug vorlegen. Zudem muss der Händler eine Funktionsprüfung für alle individuell gefertigten Gehörschutz-Otoplastiken obligatorisch vornehmen. Die anzuwendende Prüfmethode wird vom Hersteller vorgegeben. Unter diesen Gesichtspunkten wird die Dokumentation im Betrieb einen weiteren Aspekt erfahren.
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Infos zu kommenden Veranstaltungen der VHÖ finden Sie direkt auf der Homepage vom Verband der Hörakustiker Österreichs: www.vhoe.at