Seminarbericht zum VHÖ Fortbildungstag Salzburg

Seminarbericht zum VHÖ Fortbildungstag Salzburg
Veranstaltungen

Die VHÖ bietet ein hochwertiges Fortbildungsangebot an. Heute begrüßte Ing. Peter Edlhauser im Salzburger Hotel Wyndham Grand die anwesenden Hörakustiker/innen zu einem spannenden Seminartag. Die Vorträge umspannten einen ausgezeichneten thematischen Bogen von der Hörgeräteanpasstechnik bis hin zu pathologischen Auffälligkeiten, welche einem im Rahmen der Hörsystemanpassung unterkommen können.

Ing. Peter Edlhauser

Demenz – eine Herausforderung für die Zukunft

Den Beginn des Seminartages eröffnete Klemens Zimmermann (GN ReSound) mit seinem Vortrag „Hörverlust und Demenz – Zusammenhänge bzw. Ursachen“. Demenz führt zu einer Beeinträchtigung sozialer und alltäglicher Funktionen. Etwa 100.000 Österreicher/innen leiden an einer dementiellen Erkrankung. Bis zum Jahr 2050 wird sich diese Zahl verdreifachen. Neben einem hohen Lebensalter können Hypertonie, Adipositas und Diabetes das Risiko einer Demenzerkrankung steigern.

Klemens Zimmermann

Im Weiteren seines Vortrages stellte Zimmermann verschiedene Tests vor, welche den Grad einer möglichen Demenzerkrankung nachweisen können. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint, dass der kognitive Abbau bei Personen mit Hörverlust gegenüber Normalhörenden signifikant höher ist. Der Grad der Hörbeeinträchtigung korreliert zudem mit dem kognitiven Abbau. Erfreulicherweise beweisen Studien, dass Hörsystemträger hinsichtlich psychosozialen Faktoren ähnliche Werte wie Normalhörende aufzeigen. Zimmermann erinnerte das Auditorium, dass bereits bei der Erstellung eines Audiogramms nicht nur die Hörschwelle, sondern auch die Reaktionsfähigkeit des betreffend Klienten gemessen wird. Im Anschluss des Vortrages entwickelte sich zwischen dem Auditorium und dem Vortragenden eine interessante Diskussion zum Thema Demenz und Versorgung mit Hörsystemen.

Entwicklung in der Anpassung von Hörimplantaten

Regionalmanager DI Roberto Zobernik (MED-EL) präsentierte Informationen zu Hörimplantaten und ein neues Knochenleitungshörgerät. Er zeigte mittels Statistiken Zahlen zu angeborenen Schwerhörigkeiten. In Österreich sind etwa 600.000 Personen von einem Hörverlust betroffen. Von 76.000 Neugeborenen sind 76 bis 230 hörbeeinträchtigt. In Wien sind etwa 75 Neugeborene pro Jahr hörbeeinträchtigt.

Roberto Zobernik

Zobernik stellte dem Auditorium unter anderem das Produktportfolio von MED-EL vor. MED-EL wird mit deinen Produkten auch lokalen Hörakustikern als Servicepartnern zusammenarbeiten. Viele Fragen zur Versorgung mit Hörimplantaten und eine Diskussion mit dem Vortragenden komplettierten den Vortrag.

Hörbarkeit und Sprachverständlichkeit

Prof. Dr. Steffen Kreikemeier (Hochschule Aalen) beantwortete in seinem Vortrag die Frage „wieviel Hörbarkeit zu besserer Sprschverständlichkeit führt“. Kreikemeiner eröffnete seine Referat mit einer Übersicht zu den NAL – NL2 Anpassregeln. In diesem Zusammenhang hinterfragte der Referent die effektive Hörbarkeit mit NAL – NL2. Im Weiteren berichtete Kreikemeier über eine Studie zu NAL – NL2 und der Beurteilung von Hörsystemen hinsichtlich Lautstärke und einem „natürlichen“ Klang.

Steffen Kreikemeier

Unter anderem bewerteten etwas mehr Personen, dass die Perzentilanpassung zu einem deutlicheren Hören als die NAL – NL2 Anpassung führt. Allerdings empfanden mehr Hörsystemträger eine Perzentilanpassung gegenüber einer NAL – NL2 Anpassung als „dröhnend“. Mit dem Oldenburger Satztest konnte jedoch wenig Unterschied im Anpasserfolg bei beiden Varianten festgestellt werden. Geschlossene Versorgungen waren für viele Studienteilnehmer ungewohnt, da die eigenen Hörsysteme meist offen angepasst waren. Auch wurden die teilweise geforderten Verstärkungen mit DoubleDomes „Standardhörern“ nicht zu erreichen. Zusammenfassend erklärte der Vortragende, dass die messtechnisch gesteigerte Hörbarkeit bei S0N0 zu keiner verbesserten Sprachverständlichkeitsschwelle im OISa führte. In einem nächsten Schritt soll eine unterschiedliche Richtung des Sprachsignals zusammen mit der Logatomverständlichkeit getestet werden, betonte Kreikemeier.

Sinnvolle Vorgangsweise bei der Anamnese

HNO Facharzt Dr. Hannes Schobel referierte zur „Anamnese und Versorgungsbedarf aus HNO-Sicht“. Fragen zur Dauer und Ursache der Hörminderung, Progredienzen, Prognosen für den weiteren Verlauf, Grundkrankheiten, fluktuierende Gehörsituationen, Tinnitus, Hyperakusis, Neigung zu Gehörgangsekzemen, prinzipiellen anatomischen Problemen, Cerumenentwicklung und Operationen wie eine Radikaloperation sollten standardmäßig in der Anamnese enthalten sein. In diesem Zusammenhang bedauerte Schobel, dass im Sinne der Qualitätssicherung nicht vorgeschrieben ist, eine etwaige Radikaloperation auf Hörgeräte-Verordnungen anzuführen.

Hannes Schobel

Im Weiteren fasste Schobel die Symptomatik und die Anzeichen eines Morbus Meniere zusammen. Auch kann es bei traumatisierenden Ereignissen zu dissoziativen Störungen kommen, welche sich etwa in Prüfungssituationen – wie bei einem Hörtest – äußern können. Ausführlich referierte Schobel zur Anamnese bei von einem Tinnitus betroffenen Personen. Aus Sicht des Referenten sollte die tatsächliche Tragezeit von Hörsystemen und die psychosoziale Situation besser evaluiert werden und Hörsystem-Versorgungen bei Tinnitus übernommen werden.

Ursachen und Zusammenhänge bei Auftreten eines Tinnitus

Frau Prof. Dr. Marlies Knipper vom Hearing Research Center Tübingen berichtete über „Neues aus der Tinnitusforschung“. Sie zeigte Kontroversen zur derzeitigen Theorie auf. So führt etwa kein oder ein milder Hörverlust nicht zu funktionalen, kortikalen Reorganisationen. Die kortikale Reorganisation benötigt Zeit – Tinnitus tritt jedoch unverzögert nach einem Ereignis auf. Sie stellte die Frage in den Raum, ob der Verlust bestimmter Hörfasern mit bestimmten Hörverlusten korreliert.

Marlies Knipper

Knipper berichtete über die Hypothese, dass bei einem Verlust der äußeren Haarzellen bei einer zentralen Kompensation kein Tinnitus entsteht, jedoch bei einem Verlust der zentralen Kompensation Tinnitus auftritt. Zudem wurde bei Tieren nachgewiesen, dass bei einem hohem Stresspegel ein hohes Risiko Hörnervenfasern und zentrale kompensatorische Hyperaktivität zu verlieren. Spannend ist, dass ein moderater Stress jedoch zu einem Erhalt der Hörnervenfasern führt. Jedoch ist ein Hörschaden nur ein Risikofaktor und nicht der Auslöser für einen Tinnitus, betonte Knipper. Der Vortrag beantwortete viele Fragen zur Entstehung eines Tinnitus und warf gleichzeitig neue Fragen auf, welche Knipper umfassend – so weit es dem Forschungsstand nach möglich war – am Ende ihres Vortrages beantwortete.

Auditorium

Hören in einer vernetzten Welt

Lars Clad, MSc (Sivantos) zeigte Perspektiven zu „Hörgeräten in einer vernetzten Welt“ auf. Clad berichtete über den aktuellen technischen Stand von Hörsystemen und erklärte unter anderem die binaurale Signalverarbeitung. Er demonstrierte mittels Audiobeispielen eine durch binaurale Richtmikrofone merkbar verbesserte Sprachverständlichkeit. Im Zuge seines Vortrags berichtete Clad über die Integration von magnetisch induktiven Verbindungen, WLAN und Bluetooth in modernen Hörsystemen. Mit Letzterem kann Musik-Streaming, der Fernsehton und Telefongespräche mit brillantem Klang direkt in Hörsysteme übertragen werden. Durch eine Kombination aus Informationsquellen kann es zu einer verbesserten Situationserkennung kommen. So kann beispielsweise der Beschleunigungssensor eines Smartphones das gekoppelte Hörsystem über eine veränderte Situation informieren und dadurch signifikant zur Verbesserung der Spracherkennung beitragen.

Lars Clad

Mittels „TeleCare“ kann eine kontinuierliche Information und Feedback zwischen dem Hörsystemträger und dem Hörakustiker stattfinden. Der Hörakustiker erhält so einen Echtzeit-Einblick in die Kundenzufriedenheit. Kleinere Modifikationen in den Einstellungen des Hörsystems können nunmehr als Support über das Internet weltweit stattfinden. Laut hauseigenen Studien sind dadurch 20% der Abbrüche in der Testtragephase zurückgegangen, so Clad.

Unterschiedliche Strategien bei der Hörgeräteanpassung

Matthias Parr (Accousticon) erläuterte unterschiedliche Herstellervorberechnungen in seinem Referat zum Thema „Wie genau sind Zielkurven mit NAL und DSL bestimmbar?“. Ein interessanter Aspekt ist, dass Hörsysteme für den Weltmarkt hergestellt werden und der Input – die Audiometrie – zur Anpassung von Hörsystemen in unterschiedlichen Ländern different ausgeprägt ist. So sind auch die Herstellervorberechnungen je nach Dateninput aus verschiedenen Gesichtswinkeln zu betrachten. So gibt es bei der NAL zwei verschiedene Anpassziele. Zum einen ist dies die Maximierung der Sprachverständlichkeit, zum anderen die Einhaltung komfortabler Lautheit. Jedoch ist basiert das Modell der Lautheit auf empirische Daten, ist umstritten und wird fast jährlich weiterentwickelt. Kinder erhalten etwa 5dB mehr Verstärkung als Erwachsene um die Sprachentwicklung zu fördern. Auch beinhalten viele Herstellervorberechnungen für Männer etwas geringere Verstärkungen als für Frauen. Der Hintergrund dazu wird diskutiert.

Matthias Parr

Bei binauraler Anpassung wird eine reduzierte Verstärkung – im Bereich von 3-10dB je nach Hörsystem – zur Herstellervorberechnung herangezogen. Bei der DSLm[i/o] steht die Lautheitsnormalisierung des Hörfelds aus der Hörschwelle im Mittelpunkt. Parr wies darauf hin, dass bei dieser Zielstrategie die U-Schwelle besonders gewissenhaft gemessen werden muss. Auch sollte bei Wahl der DSLm[i/o] die RECD gemessen werden, da sonst der Faktor um 5-10dB je nach Frequenz und Alter geschätzt wird und somit zu Fehlern in der Anpassung führen kann. Parr komplettierte seinen Vortrag mit der Erklärung diverser Alternativen zu präskriptiven Anpassformeln und empfahl die Skalierung von Hörsystemen direkt am Ohr mittels Insitumessung. „Dem routinierten Skalierer genügt ein Blick auf die Hörfelder“, so Parr. „Erklären Sie Ihren Kunden, warum angenehmes Hören nicht mit guter Hörgeräteeinstellung gleichzusetzen ist“.

VHÖ – in eigener Sache

Peter Edlhauser

Zum Abschluss der Tagung berichtete Ing. Peter Edlhauser im Namen des VHÖ Vorstandes zu Änderungen im Medizinprodukterecht, Haftungsrecht für Hörakustiker und möglichen zukünftigen datenschutzrechtlichen Veränderungen. Dr. Klaus Peter Janner informierte über die neuen Hörfibeln, welche für den österreichischen Markt adaptiert wurden. Am 11. November 2017 findet das nächste VHÖ Tagesseminar im Wiener Hotel IBIS statt.

Infos zu kommenden (sehr empfehlenswerten) Veranstaltungen der VHÖ finden Sie direkt auf der Homepage vom Verband der Hörakustiker Österreichs: www.vhoe.at

Loading