7. Europäische Pädakustik Konferenz in Berlin

7. Europäische Pädakustik Konferenz in Berlin
Allgemein

Unter der Schirmherrschaft der Firma Phonak trafen sich vom 12. – 13. Juni 2023 im Estrel Convention Center in Berlin, 400 Teilnehmer in Präsenz und 200 virtuell aus den Bereich Hörakustik, Forschung und Medizin zur 7. Europäischen Pädakustik-Konferenz. Das Team von Akustiker Online! nahm an dieser Konferenz teil und hat für deren Leser einen Bericht verfasst.

Die Tagung war in sieben Sessions eingeteilt, die sieben Schwerpunkte beleuchtete. Zur besseren Orientierung haben wir ein Menü angelegt, damit Sie einen besseren Überblick bekommen.

Session 1: Corona Herrausforderungen
Session 2: Schallleitungsschwerhörigkeit
Session 3: Hörbarkeit ist noch nicht alles
Session 4: Familien in den Vordergrund
Session 5: Kinder mit Entwicklungsverzögerungen
Session 6: Hörgeräte-Technologien
Session 7: Cochlea Implantate

Andrea Bohnert und Thomas Wiesner begrüssten die anwesenden und online zugeschalteten Teilnehmer zur 7. Pädakustik Konferenz im Estrel Convention Center. Sie geben einen Rückblick über die letzten 15 Jahre, die diese Konferenz im deutschsprachigen Raum zu Tage gebracht hat. Besonders stolz ist das Gremium, dass es viele internationale Standards festgelegt worden sind und in der klinischen Praxis Anwendung findet.

Begrüssung

Session 1: Corona Herrausforderungen

Der erste Vortrag von Kristin Tiede berichtet über die Herausforderungen hörgeschädigter Kinder in der Corona Zeit. Der politische Auftrag zur inklusiven Bildung wurde durch die coronabedingten Schutzmaßnahmen insbesondere für hörgeschädigte Kinder erheblich erschwert. Nicht nur, dass das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes eine kaum zu überwindende Kommunikationsbarriere darstellte, die alle Möglichkeiten des Absehens verhinderte und den Klang der Sprache dämpfte, sondern auch die Möglichkeiten der Beratung und Frühförderung vor Ort wurden stark einschränkt. Der Vortrag geht auf diese Auswirkungen der stark minimierten Vor-Ort-Beratung und Frühförderung ein und zeigt anhand von Praxisbeispielen sowohl pädagogische als auch technische Handlungsmöglichkeiten auf, wie trotz der Herausforderungen im Frontalunterricht und im Homeschooling eine effektive inklusive Bildung aufrechterhalten werden konnte. Darüber hinaus geht der Vortrag der Frage nach, ob einige der Maßnahmen und Ideen, die den hörgeschädigten Kindern geholfen haben, auch den meisten normalhörenden Kindern in der Corona-Zeit zu mehr Lernerfolg und Chancengleichheit verholfen haben? Dies entspräche dem politischen Auftrag der inklusiven Bildung im Sinne des in der UN CRPD von 2006 beschriebenen universellen Designs von Inklusion.

Danielle Glista referiert in ihrem Vortrag über die Nutzung von mhealth-Systemen in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Mobile Health (mHealth), die Nutzung mobiler und tragbarer Technologien zur Bewältigung wichtiger Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung, ist zwar in der Hörgeräteversorgung von Erwachsenen auf dem Vormarsch, wurde aber bei Kindern, die Hörgeräte tragen, noch nicht umfassend erforscht. Ziel dieser Studie war es, die Wahrnehmungen, Meinungen, Überzeugungen und Einstellungen von Audiologen und Jugendlichen in Bezug auf die Machbarkeit und Nutzbarkeit einer mobilen App zur Personalisierung ihrer Hörgeräteeinstellungen besser zu verstehen. Methoden: Anhand eines Leitfadens für Fokusgruppendiskussionen nahmen zwei Bevölkerungsgruppen – Hörakustiker (12) und jugendliche Hörgeräteträger (9) – an virtuellen Sitzungen teil. Die Daten wurden mit Hilfe der thematischen Analyse ausgewertet; die Datenkodierung umfasste sowohl induktive als auch deduktive Ansätze. Ergebnisse/Schlussfolgerungen: Zu den Themen und Unterthemen, die für beide Bevölkerungsgruppen identifiziert wurden, gehörten Wahrnehmungen rund um die Anwendungsidee, die Kandidatur von Kindern, die klinische Umsetzung, die Zusammenarbeit und Unterstützung, die Befähigung und die Remote-Technologie. Die Gruppendiskussionen zeigten, dass die Integration von mobilen Apps für die Hörgeräte-Personalisierung unter der Leitung von Jugendlichen unterstützt wird. Die Diskussionen in der Gruppe der Audiologen beleuchteten Überlegungen zu bewährten Verfahren, Nutzungsbarrieren und Lösungen für die klinische Umsetzung; die Gruppen der Jugendlichen schilderten Situationen, in denen sie die App am häufigsten nutzen würden, sowie eine Vielzahl von Vorschlägen zur Gestaltung der App, einschließlich Anpassungsmöglichkeiten. Die Ergebnisse der Studie werden die Entwicklung und Umsetzung von patientenorientierten, pädiatriefreundlichen mHealth-Designlösungen unterstützen.

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Nach einer kurzen Kaffeepause tritt Josephine Marriage auf das Podium, um in ihrem Vortrag auf das Thema Fernanpassung in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen näher einzugehen. Es gibt inzwischen Technologien, mit denen Hörakustiker Online-Termine mit Kindern und Jugendlichen zur Überprüfung von Hörgeräten vereinbaren können. Während Ferntermine den Vorteil haben, dass sie die Reisetätigkeit reduzieren und den Familienalltag weniger stören, benötigen die Fachleute neue Strategien, um eine valide Bewertung der Hörgeräteanpassung zu gewährleisten. Ferntermine bieten die Möglichkeit einer individuellen Betreuung und helfen den Eltern, die Funktion der Technologie für das Hören ihrer Kinder in der realen Welt zu verstehen. Die Audiometrie ist durch die Verwendung von Apps möglich, die vor dem Termin geplant werden müssen. Es liegt in der Verantwortung der Familie, sich auf die Online-Sitzung vorzubereiten. Wenn zum Beispiel Fragebögen vor dem Termin ausgefüllt werden, findet eine Familiendiskussion über schwierige Hörsituationen für das Kind statt. Dies gibt den Eltern die Möglichkeit, Fragen an die Fachkraft zu stellen und nach neuen Strategien für das Management zu suchen. Der Einsatz von Real-Ear-Messungen (REM) und Sondenmikrofonmessungen ist bei der Fernbehandlung nicht möglich. Sorgfältig geplante Sprachverstehenstests können jedoch einen relevaten Einblick in die Herausforderungen beim Sprachverstehen geben und zu einer Optimierung der Hörgeräteeinstellungen führen. In dieser Präsentation demonstrieren wir anhand von Fallstudien den Einsatz von Techniken für einen belastbaren und verbesserten Dialog zwischen Eltern und Fachleuten in der Fernpraxis.

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Session 2: Schallleitungsschwerhörigkeit

In die zweite Session startet Elizabeth Heinrichs-Graham mit ihrem Vortrag zur Auswirkung von Hörerfahrungen auf die Dynamik des Gehirns bei schwerhörigen Kindern und Heranwachsenden. Trotz des weit verbreiteten Einsatzes von Neugeborenen-Hörscreenings und der anschließenden Frühförderung haben Kinder mit leichtem bis schwerem Hörverlust, immer noch ein höheres Risiko, im Laufe ihrer Entwicklung Sprach-, Sprech- und Lernschwierigkeiten zu entwickeln als Kinder mit normalem Gehör (CNH). Dennoch sind diese Risiken nicht universell; einige CHH erreichen oder übertreffen das Niveau ihrer CNH-Peers, während andere deutlich zurückbleiben. Jüngste Arbeiten haben versucht, die Ursachen für diese Unterschiede in den Ergebnissen zu ermitteln, einschließlich der Wechselwirkungen mit dem Arbeitsgedächtnis und der Aufmerksamkeit, der Hörerfahrung (z. B. Umfang der Nutzung von Hörgeräten und Hörbarkeit) und anderen Entwicklungsfaktoren. In jüngster Zeit hat unser Labor damit begonnen, die neuronalen Dynamiken zu identifizieren, die der Variabilität der kognitiven und verhaltensbezogenen Ergebnisse bei CHH im Vergleich zu CNH zugrunde liegen, indem es nicht-invasives, quantitatives Neuroimaging mit Magnetoenzephalographie (MEG) verwendet. Dieser Vortrag gibt einen Überblick über die neuesten Ergebnisse unseres Labors, einschließlich der Veränderungen der neuronalen Aktivität, die dem Arbeitsgedächtnis, der Exekutivfunktion und der sensorischen Verarbeitung bei CHH im Vergleich zu CNH dienen, sowie der Beziehungen zwischen Hörerfahrung und neuronaler Funktion bei CHH. Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Neuroimaging mit MEG vielversprechend sein kann, um die neurophysiologischen Grundlagen der Variabilität der Ergebnisse bei CHH aufzudecken, was bei der Entwicklung und Optimierung von therapeutischen Maßnahmen hilfreich sein kann.

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Mit dem zweiten Vortrag dieser Session stellt Dawana Lewis die Studie FASTRACK vor, die bei der Suche nach passenden Lösungen zum Ausgleich einer eingeschränkten Hörbarkeit bei Kindern näher betrachtet. Kinder mit leichtem beidseitigem Hörverlust (MBHL) können Schwierigkeiten haben, Sprache in alltäglichen Hörsituationen zu verstehen, was sich möglicherweise negativ auf die sprachlichen und schulischen Leistungen auswirkt. Die derzeitigen klinischen Messmethoden sind jedoch möglicherweise unempfindlich gegenüber Unterschieden zwischen Kindern mit MBHL und Kindern mit normalem Hörvermögen. Aktuelle Hörtestmethoden können die Hörempfindlichkeit von Kleinkindern nicht genau quantifizieren, da die Akustik des Gehörgangs und selbst erzeugter Lärm die gemessenen Schwellenwerte beeinflussen. Darüber hinaus können typische klinische Tests das Sprachverständnis unter komplexen Bedingungen nicht erfassen, da der Zugang zu auditiven Hinweisen geringer Intensität die Wahrnehmungsfähigkeiten von Kindern mit MBHL und Kindern mit normalem Hörvermögen unterscheiden kann. Die Unsicherheit über Diagnose und Intervention kann zu schlechten Ergebnissen für Kinder mit MBHL führen. Die Finding Appropriate Solutions to Treat Reduced Audibility in Kids (FASTRAK)-Studie ist eine klinische Studie an mehreren Standorten, die neue klinische Instrumente entwickelt und validiert, um die Diagnose und Behandlung dieser Kinder zu verbessern. In diesem Vortrag wird auf die Entwicklung und Validierung unserer klinischen Audiometrie- und Spracherkennungsinstrumente im Labor sowie auf vorläufige Daten aus unserer laufenden klinischen Validierung der FASTRAK-Batterie an mehreren Standorten eingegangen.

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Vor der verdienten Mittagspause berichtet Laurent Dekanenz über die Auswirkung einer langanhaltenden Schallleitungsschwerhörigkeit im frühen Kindesalter und einer AVWS. Die Studie untersucht die Auswirkungen einer mittelschweren Schallleitungsschwerhörigkeit auf die Entwicklung der Sprache und der zentralen auditorischen Verarbeitung bei Kindern (APD). Diese Kinder litten unter OME, die mehrere Monate lang im Säuglingsalter bestand, bevor sie zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr trans-tympanische Röhren erhielten. Im Alter von 8 Jahren hatten alle Kinder eine normale Tonaudiometrie, und keines der Kinder wies Anzeichen einer psychomotorischen Retardierung oder einer interkurrenten Pathologie auf. Die Kinder wurden auf Sprache und verbales Kurzzeitgedächtnis getestet, und es wurde die gesamte französische zentrale auditorische Testbatterie BAC durchgeführt. Für diese Testbatterie gibt es altersgemäße Standardnormen für das Alter von 5-80 Jahren. Die Untersuchung umfasste 30 Minuten mit einer 15-minütigen Pause. Die Ergebnisse wurden mit denen einer altersgemäßen Kontrollgruppe mit normaler nonverbaler Intelligenz verglichen. Die Sprachtests sowie der Test des Kurzzeitgedächtnisses ergaben keinen systematischen Unterschied zwischen den OME-Kindern und den normalen Kindern. Bei den Aufgaben zur Messung der Wahrnehmungsfähigkeit – Phonologieanalysen und phonologische Bewusstheit – wurden jedoch Defizite bei der Aufgabe zur Wiederholung zweisilbiger Nichtwörter und Reime festgestellt. Auch bei den dichotischen Fähigkeiten schnitten OMG-Kinder im Vergleich zu normalen Kindern signifikant schlechter ab. Diese Ergebnisse legen nahe, dass OMG-Kinder trotz angemessener Behandlung an einer Form der APD leiden. Vor allem die dichotische Fähigkeit scheint betroffen zu sein. Wir stellen die Hypothese auf, dass die Reifung der dichotischen Fähigkeiten anfällig für vorübergehend reduzierte periphere.

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Session 3: Hörbarkeit ist noch nicht alles

Gestärkt geht es nach der Mittagspause in die dritte Session mit dem Schwerpunkt Hörbarkeit ist nicht alles. In Ihrem Vortrag gibt Karen Reichmuth ein Update zur Sprachentwicklung bei Kindern mit Hörschädigung. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Spracherwerb für Kinder mit Hörstörung lassen sich durch Neugeborenen-Hörscreening(NHS)-Programme deutlich verbessern, sie mildern negative Auswirkungen auf andere Entwicklungsbereiche ab oder verhindern diese. So kann, unabhängig vom Schweregrad der Hörstörung eine Früherkennung und -versorgung mit technischen Hörhilfen, möglichst im ersten Lebenshalbjahr, zu günstigeren bis hin zu altersgerechten Ergebnissen im Spracherwerb führen. Die Heterogenität der Gruppe von Kindern mit Hörstörung und die Variabilität ihrer Entwicklungsverläufe bleiben allerdings auch nach Einführung von NHS-Programmen groß. Einerseits werden immer mehr Einflussfaktoren identifiziert, die den Erfolg der Sprachentwicklung beeinflussen. Vor allem Unterschiede in Qualität und Quantität des elterlichen Sprachinputs und der Eltern-Kind-Interaktion erklären in hohem Maße die Variabilität. Auch längere Tragedauer, sowie bessere akustische Signalqualität der Hörhilfen (Hörgeräte oder Cochlea Implantate) beeinflussen die Entwicklung wesentlich. Andererseits weisen 35-40 % dieser Kinder zusätzliche Beeinträchtigungen auf, die einen weiteren Risikofaktor für die Sprachentwicklung darstellen. Der Vortrag gibt Einblick in internationale Erkenntnisse zum Spracherwerb dieser „neuen Generation“ von Kindern mit Hörstörung (mit Hörgeräten oder Cochlea Implantaten versorgt). Dabei werden besondere Herausforderungen im Spracherwerb dieser Kinder beleuchtet, wie zum Beispiel der Erwerb der phonologischen, morphologischen und narrativen Fähigkeiten. Einflussfaktoren, sowie Prädiktoren zur Früherkennung ungünstiger Entwicklungsverläufe werden dargelegt. Die Notwendigkeit von familienzentrierter Frühintervention und entwicklungsbegleitendem Monitoring werden betont. Die Begleitung von Kindern mit Hörstörung und ihrer Familien bleibt auch nach Einführung von NHS-Programmen eine interdisziplinäre Aufgabe und Herausforderung.

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Patricia Roush berichtet in ihrem Vortrag über das Management einer progredienten Hörbeeinträchtigung bei Kindern anhand einer Fallstudie und Implikation einer multizentrischen Studie. Die flächendeckende Einführung des Neugeborenen-Hörscreenings in vielen Teilen der Welt hat die Möglichkeit eröffnet, zusätzliche Erkenntnisse über die Besonderheiten und die Entwicklung von gehörlosen oder schwerhörigen Kindern zu gewinnen, einschließlich solcher mit fortschreitender Schwerhörigkeit. Die Berichte über einen fortschreitenden Hörverlust bei Kindern variieren zwar stark, aber einige Untersuchungen berichten von einer Verschlechterung der Hörschwelle bei über 50 % der untersuchten Kinder. In den letzten Jahren haben Längsschnittstudien zu einem besseren Verständnis der Art des fortschreitenden Hörverlusts bei Kindern und zu Implikationen auf die klinische Praxis geführt. In dieser Fallstudie wird ein Kind mit fortschreitendem Hörverlust vorgestellt, das durch das Neugeborenen-Hörscreening identifiziert wurde, und es wird gezeigt, wie die Erkenntnisse aus den jüngsten Studien in die klinische Entscheidungsfindung eingeflossen sind.

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Der letzte Vortrag dieser Session berichtet über die quantitative Bewertung von Hörermüdung bei Kindern mittels der Vanderbilt Fatigue Sales (VFS-Peds). Ben Hornsby berichtet über die Anforderungen, denen Kinder in der Schule ausgesetzt sind, sind beträchtlich und werden bei Kindern mit Hörverlust (CHL) noch verschärft. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die hohe Anstrengung, die Kinder aufbringen müssen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ihr Risiko für eine hörbedingte Ermüdung erhöht. Wenn diese Ermüdung schwerwiegend ist, kann sie erhebliche negative Auswirkungen auf die schulischen, sozialen und emotionalen Funktionen haben. Bis vor kurzem gab es jedoch kein gültiges und zuverlässiges Maß für eine solche Ermüdung. In diesem Vortrag geben wir einen Überblick über die pädiatrischen Vanderbilt Fatigue Scales (VFS-Peds) – eine Reihe von kürzlich entwickelten Messinstrumenten, die speziell zur Quantifizierung der Hörermüdung bei CHL entwickelt wurden. Darüber hinaus werden Auswertungsmöglichkeiten, die Interpretation der Ergebnisse in Bezug auf normative Daten, laufende Forschungsarbeiten und zusätzlicher Forschungsbedarf erörtert.

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Session 4: Familien in den Vordergrund

Die letzten Session des ersten Tages widmet sich den Familien und deren Unterstützung anderer Familien, die Kinder mit einer Hörbeeinträchtigung haben. Im ersten Vortrag berichten Doris Binder und David Müllegger-Treciokaite über die Elternpeerarbeit in einem Frühinterventionsprogramm. Im internationalen Konsensusstatement für Kinder mit Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit (Moeller et al., 2013) wurde als ein zentraler Grundsatz für familienzentrierte Frühinterventions-Programme der Zugang für Familien zu Elternpeerberatung festgelegt. Die Unterstützung von Familien durch Eltern von Elternorganisationen hat in europäischen Ländern mittlerweile Tradition, jedoch nicht im Team integrierte Eltern-Peerarbeit an Kliniken oder in Frühförderprogrammen. Aspekte wie Mangel an finanziellen oder persönlichen Ressourcen und die als möglicherweise problematisch gesehene Mitarbeit von Eltern als ehemalige Klient:innen in einem bestehenden Frühförder-/Frühinterventionsteam können die Integration von Eltern-Peer-Arbeit behindern. Inspiriert von internationalen Beispielen und Modellen von Hands and Voices (Elternverein USA), hat das FLIP-Frühinterventionsteam in Linz, Oberösterreich, 2013 einen Eltern-Peer aufgenommen. Seitdem sind Eltern-Peers volle Teammitglieder: Sie unterstützen die Eltern ab dem Zeitpunkt der Aufnahme ins Programm, sind in Teamdiskussionen involviert, haben vollen Zugriff auf Klientendaten und tauschen Informationen mit Fachleuten aus. Momentan arbeiten drei Eltern-Peers – eine gehörlose und zwei hörende Kolleginnen, alle Mütter von Kindern mit Hörbeeinträchtigung – in unseren Teams (in zwei Bundesländern: Oberösterreich und Niederösterreich).

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Der erste Tag wird mit dem Vortrag von Dominik Altevogt gehalten, der das Schweizer Elternmodell SVEHK vorstellt. Die Schweizer Vereinigung der Eltern Hörgeschädigter Kinder (SVEHK) ist eine Selbsthilfegruppe für Eltern von schwerhörigen, hörbehinderten oder gehörlosen Kindern in der Schweiz. Die SVEHK wurde 1974 gegründet und besteht aus einem Dachverband und 11 Regionalgruppen in der ganzen Schweiz. Die SVEHK fördert den Erfahrungsaustausch unter Eltern von hörbehinderten Kindern. Dieser Austausch mit Gleichbetroffenen gibt sowohl den Eltern als auch den Kinder Halt und fördert so die Akzeptanz der Hörbehinderung. In diesem Vortag wird die SVEHK, ihre Struktur und ihre Kernaufgaben vorgestellt. Die Vorteile einer solchen Elternorganisation für die Entwicklung von hörbehinderten Kindern werden aufgezeigt und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wird anhand von Beispielen erörtert.

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Session 5: Kinder mit Entwicklungsverzögerungen

Den zweiten Tag der Konferenz wird mit dem Vortrag von Angela Bonino eröffnet, die zum Thema Subjektive Hördiagnostik bei Kindern mit Entwicklungsverzögerungen referiert. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Verbesserung der Hörversorgung für Kinder mit Entwicklungsstörungen, indem sie Lücken in der klinischen Versorgung aufdeckt und Verfahren zur Verhaltensanalyse des Gehörs verbessert. Diese Arbeit wird von den National Institutes of Health und der American Speech-Language-Hearing Foundation finanziert. Anhand von retrospektiven klinischen Daten aus mehreren Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten werden in diesem Vortrag Diskrepanzen in der verhaltensbasierten Hördiagnostik bei Kindern mit Entwicklungsunterschieden diskutiert. In diesem Vortrag werden entwicklungsorientierte Strategien aufgezeigt, die zur Erleichterung von Tests bei Kindern mit Autismus eingesetzt werden können.

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Als nächste Vortragende tritt Deborah Moos auf das Podium und stellt in ihrem Vortrag die Zusammenarbeit mit Familien von Kindern mit Hörstörungen und zusätzlichen Behinderungen beim Umgang mit Hörhilfen-erfolgsgerichtete Strategien vor. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die konsequente Nutzung von Hörgeräten zu besseren sprachlichen Ergebnissen führt (Tomblin et. al., 2015; Walker et. al, 2015). Die Ergebnisse im Zusammenhang mit der Nutzung von Hörgeräten sind bei Personen mit Entwicklungsstörungen (z. B. Autismus-Spektrum-Störung, geistige Behinderung, Down-Syndrom) im Vergleich zu Gleichaltrigen mit normaler Entwicklung unterschiedlich (Cejas et al., 2015; Daneshi & Hassanzadeh, 2007; Donaldson et al., 2004). Aus Gründen, die in der aktuellen Forschung nicht klar formuliert sind, tragen Menschen mit Entwicklungsstörungen auch seltener ihre Hörgeräte (Fitzpatrick et al., 2014; Kaga, Shindo, Tmai, & Tanaka, 2007; Valero et al., 2016). Das Verständnis der Faktoren, die der eingeschränkten Nutzung von Hörsystemen zugrunde liegen, ist kindabhängig, aber entscheidend für die Verbesserung der Ergebnisse. Interventionen, die auf dem Verständnis der besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen und anderen Entwicklungsstörungen beruhen, können wirksam eingesetzt werden, um die Nutzung von Hörgeräten zu erhöhen und so die Entwicklungsergebnisse zu verbessern. In diesem Vortrag wird die Wirksamkeit eines einzigartigen multidisziplinären Ansatzes zur Förderung der Nutzung von Hörsystemen beschrieben. Anhand von Fallstudien werden Faktoren aufgezeigt, die in die Interventionsplanung einfließen, darunter medizinische und entwicklungsbezogene Überlegungen, Verhaltensfaktoren sowie familiäre und kulturelle Faktoren. Anhand von Fallstudien wird außerdem die Integration dieser Faktoren aufgezeigt, um erreichbare, familienzentrierte Ziele für die Nutzung von Hörgeräten zu schaffen.

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Katrin Neumann stellt in ihrem Vortrag das Projekt HörGeist vor, dass zur Erkennung, Diagnose und Behandlung von Hörverlust bei Menschen mit geistiger Behinderung Unterstützung geben soll. Menschen mit geistiger Behinderung (ID) leiden etwa 5-10 Mal häufiger an Hörverlust als die Allgemeinbevölkerung. In den meisten Fällen bleiben solche Hörstörungen unerkannt und werden nicht oder nur unzureichend behandelt [1]. Die Implementierung eines Programms zum systematischen Hörscreening, zur Diagnose bei Bedarf und zur Therapieeinleitung und -überwachung im Lebensumfeld von Menschen mit ID (Wohneinrichtungen, Werkstätten, Kindergärten, Schulen) erscheint daher sinnvoll [2]. Der Vortrag wird zeigen, ob ein solches Programm realisierbar erscheint und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu überwinden sind. Methoden: Im Projekt HörGeist*, das die Durchführbarkeit des beschriebenen Programms untersuchen sollte [3], wurden 1050 Personen mit ID (alle Altersgruppen) in ihrem Wohnumfeld einem Hörscreening unterzogen. Auf ein fehlgeschlagenes Screening folgte eine audiometrische Diagnostik und, im Falle eines Hörverlusts, die Einleitung und Überwachung einer Therapie. Eine Kontrollkohorte von 141 Teilnehmern wurde von ihrer Krankenkasse (AOK Rheinland/Hamburg) über ihre Familie eingeladen, sich demselben Screening zu unterziehen, allerdings in einer Klinik. Beide Kohorten wurden ein Jahr später ein zweites Mal dem Programm unterzogen, um die Ergebnisse zu bewerten und das empfohlene Intervall zwischen den regelmäßigen Screenings abzuschätzen. Ergebnisse: Screening und Diagnostik im Lebensumfeld von Menschen mit ID waren durch Hörgeräteakustiker in den meisten Fällen durchführbar und zuverlässig mit verwertbaren Ergebnissen, aber nur in begrenztem Umfang durch geschultes, nicht-audiologisches Personal. Telemonitoring durch einen Arzt (Videotoskopie, Auswertung der audiologischen Befunde und Festlegung weiterer Messungen) wurde in etwa 20 % der Fälle durchgeführt. In 43,8% der Fälle (460 von 1050 erstellten Arztbriefen) wurde eine Empfehlung für eine der folgenden notwendigen Maßnahmen ausgesprochen: 327 Überweisungen zur weiteren Diagnostik, 153 Verordnungen von Hörgeräten, 34 Verordnungen (z.B. entzündungshemmende Ohrentropfen), 10 Klinikvorstellungen (hauptsächlich zur Überprüfung einer Cochlea-Implantat-Indikation). Teilweise unter den strengen COVID-19-Pandemieauflagen, aber auch unabhängig davon, erwies es sich als schwierig, Menschen mit gB zu erreichen, insbesondere in Schulen, Kindertagesstätten und an betriebsintegrierten Arbeitsplätzen. Von 810 kontaktierten Einrichtungen nahmen 19 % am HörGeist-Programm teil, und vom Erstkontakt bis zum Hörscreening waren durchschnittlich 8,0 % Gespräche erforderlich. Diskussion: Der Zugang zu Menschen mit CB in ihren Einrichtungen erwies sich als eine unerwartet große Hürde. Hier besteht Aufklärungsbedarf über die Häufigkeit und die Auswirkungen von Hörstörungen bei Menschen mit gB und den Nutzen von regelmäßigen Hörscreenings. Screenings im klinischen Umfeld wurden kaum in Anspruch genommen. Schlussfolgerung: Während Hörscreenings, Vor-Ort-Diagnostik und Interventionen einschließlich der Anpassung von Hörgeräten machbar zu sein scheinen, erwies sich der Zugang zu Menschen mit ID in ihren Einrichtungen als Hindernis. Das Pflegepersonal muss über den Nutzen regelmäßiger Hörscreenings für Menschen mit Behinderung aufgeklärt werden.

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Der letzte Referent dieser Session ist Hanno Bolz, der seinen Vortrag nutzt, um die Bedeutung einer frühen genetischen Diagnose für die Patienten und ihre Familien aufzuzeigen. Von 1.000 Kindern haben 1,33 bei Geburt eine Hörstörung >40 dB, und im Grundschulalter beläuft sich der Anteil bereits auf 2,83. Etwa 50% der Fälle sind auf Umwelteinflüsse zurückzuführen, während der anderen Hälfte genetische Ursachen in Form von Mutationen in einzelnen Genen zu Grunde liegen (monogene Hörstörungen). Monogene Hörstörungen sind genetisch extrem heterogen: Mutationen in mehreren hundert Genen können Hörstörungen verursachen. Etwa 30% der genetischen Hörstörungen sind syndromal – mit offensichtlichen (Dysmorphien, Fehlbildungen) und verborgenen Formen, deren extracochleäre Manifestationen sich erst später im Leben zeigen. Aufgrund ihrer Prävalenz, der medizinischen Tragweite oder beider Faktoren sind Usher-, Alport-, Pendred- und Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom die wichtigsten Syndrome. Entitäten wie das Stickler-Syndrom sind vermutlich unterdiagnostiziert und erfordern eine gründliche klinische Untersuchung. Mit der Einführung von Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung (next-generation sequencing, NGS), können die meisten Kinder mit genetischen Hörstörungen heute eine spezifische genetische Diagnose erhalten – und somit eine frühzeitige Differenzierung zwischen isolierten und syndromalen Hörstörungen, mit weitreichender Bedeutung für die individuelle medizinische Betreuung. Trotz des molekulargenetisch-diagnostischen Durchbruchs bleiben Eigen- und Familienanamnese wichtig, was u.a. insbesondere die Rolle elterlicher Konsanguinität betrifft. Der Vortrag gibt einen Überblick der genetischen Hörstörungen und illustriert Möglichkeiten, Herausforderungen und Fallstricke genetischer Diagnostik mit klinischen Beispielen.

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Session 6: Hörgeräte-Technologien

Anisa Virsam stellt in ihrem Vortrag die BAMBINO-Studie vor. Die Studie beschäftigt sich mit der Modernisierung des Hörverhaltenstests bei Säuglingen durch maschinelles Lernen und Personalisierung von auditiven und visuellen Testreizen. Subjektive Hörtests bei Säuglingen und Kleinkindern umfassen in der Regel die visuelle Verstärkungsaudiometrie (VRA) für Kinder ab einem Alter von ca. 7 Monaten. In den seit den 1960er Jahren veröffentlichten Forschungsarbeiten wurde das Verfahren beschrieben und es wurden Tipps zur Verbesserung des Antwortverhaltens gegeben (z. B. Sicherstellung der Vielfalt und Komplexität der visuellen Verstärker), aber die Grundlagen der VRA haben sich in den letzten 60 Jahren trotz offensichtlicher Fortschritte in der Technologie nicht grundlegend geändert. Anekdotische Hinweise deuten darauf hin, dass Anpassungen des Verfahrens, einschließlich der Verwendung vertrauter, bedeutungsvoller Geräusche und Bilder (z. B. aus einer Lieblingssendung im Fernsehen), das Antwortverhalten von Kleinkindern verbessern könnte, die auf das Standardverfahren nicht gut reagieren. Es fehlt jedoch an strengen Beweisen, die den Einsatz solcher alternativen Verfahren unterstützen und die Empfehlungen für die Interpretation der Ergebnisse geben. Unser Projekt verfolgt zwei weitreichende Ziele im Zusammenhang mit VRA: 1) Einsatz von Machine-Learning-Technologien zur Klassifizierung und Messung des Antwortverhaltens, mit potenziellen Anwendungen zur Automatisierung des Tests und zur Analyse des kindlichen Antwortverhaltens, um dessen Natur besser zu verstehen; 2) Identifizierung geeigneter auditiver und visueller Stimuli für den Einsatz in nicht standardisierten Hörtests, und kontrollierte Filterung der akustsichen Stimuli, um eine definierte diagnostische Anwendung zu ermöglichen. Die Verhaltensbeobachtungsaudiometrie (Behavioural Observation Audiometry, BOA) ist ein Verhaltenshörtest, der häufig bei Säuglingen angewandt wird, die entwicklungsmäßig noch nicht für die VRA bereit sind, aber seine Anwendung und Interpretation kann zu Verzerrungen führen, die bei falscher Interpretation schwerwiegende Folgen haben können. Die Studie untersucht auch den Einsatz von Algorithmen des maschinellen Lernens zur Klassifizierung des Hörverhaltens bei Säuglingen unter 7 Monaten, um einen möglichen Bias des Untersuchers bei der  BOA zu beseitigen.

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Der zweite Vortrag wird von Evert Dijkstra gehalten. Er wirft einen Blick auf Roger und den neuen Bluetooth Low Energy Audio Standard. Er stellt die Frage: „Quo Vadis drahtlose Technologie für die Kinderversorgung?“ Die Leistung und Benutzerfreundlichkeit von drahtlosen Mikrofonsystemen hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert und hat dazu beigetragen, das Leben von Kindern mit Hörverlust zu verbessern. Durch den Wechsel von analogen FM-Systemen zu digitalen adaptiven Systemen auf der 2,4-GHz-Frequenz im Jahr 2013 konnte die mühsame Kanalverwaltung eliminiert werden, was die Systeme deutlich benutzerfreundlicher machte. Gleichzeitig hat die kontext- und leistungsabhängige Signalverarbeitung die Leistung und Benutzerfreundlichkeit von Spitzen-Wireless-Systemen erheblich verbessert. Diese Systeme, die „Roger“ genannt werden, wurden seitdem kontinuierlich verbessert und der Empfängerteil des Wireless-Systems ist in vielen Hörgeräten mittlerweile vollständig integriert, ohne dass Größennachteile entstehen. Darüber hinaus wurde das System in den letzten Jahren durch den Hinzufügen weiterer Geräte wie pass-around Mikrofone und Soundfeldsysteme ergänzt, wodurch der Zugang zu mehreren Quellen für Kinder mit Hörverlust erhöht wurde. Mit der Einführung eines neuen Standards (Bluetooth Low Energy Audio, der unter dem Markennamen Auracast vertrieben wird) wird erwartet, dass die Mehrheit der Hörgeräte diese Funktionalität vollständig integrieren wird. Wie in der Präsentation besprochen wird, sind Roger und Auracast aus technologischer Sicht sehr ähnlich, was letztendlich dazu beitragen wird, allen Kindern mit Hörverlust state-of-the-art Wireless-Mikrofonlösungen anbieten zu können, unabhängig von der Marke ihres Hörgeräts oder Cochlear-Implantats.

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Die Fragestellung Roger Dual oder Standard Adaptiv – Was soll ich wählen? ist der Vortragstitel von Jodie Nelson in ihrem Vortrag. Roger Dual oder Standard adaptiv. Was sollte ich wählen? Die Roger-Technologie wird mit großem Nutzen in Klassenzimmern und zu Hause auf der ganzen Welt eingesetzt. Das adaptive Verstärkungsmodell bedeutet, dass mit steigendem Hintergrundgeräuschpegel auch der Pegel des Roger-Signals ansteigt, so dass auch in Umgebungen mit hohem Geräuschpegel ein günstiges SNR erreicht wird. Zwei adaptive Verstärkungsmodelle sind für Roger erhältlich – Standard und Dual adaptive. Bei Hearts For Hearing in Oklahoma wurde eine Studie durchgeführt, um die Spracherkennung und die subjektiven Präferenzen von Kindern im Schulalter zu vergleichen, die Hörgeräte mit Standard- und dualen adaptiven Roger-Systemen in einer Klassenzimmerumgebung verwenden.  Fünfundzwanzig Kinder mit beidseitigem, leichtem bis mittelschwerem Hörverlust nahmen an der Studie mit wiederholten Messungen teil, um die Unterschiede zwischen den Geräten zu untersuchen. Die Satzerkennung in Ruhe und im Störgeräusch sowie die subjektiven Präferenzen wurden in einer Klassenzimmerumgebung mit jeder Technologie unter verschiedenen Bedingungen bewertet, um gängige Hörsituationen im Klassenzimmer zu simulieren. Die Leistung wurde auch unter der Bedingung bewertet, dass nur ein Hörgerät verwendet wurde. Sowohl bei den Standard- als auch bei den Dualsystemen wurde eine signifikant bessere Spracherkennung festgestellt als bei den reinen Hörgeräten. Zwischen Standard- und Dual-Systemen wurden in keiner der Testbedingungen signifikante Unterschiede bei der Spracherkennung in Ruhe oder im Lärm festgestellt. Obwohl die Teilnehmer keine signifikante Präferenz für eines der beiden Systeme angaben, gab es einen nicht-signifikanten Trend zu einer allgemeinen Präferenz für das duale adaptive System in traditionellen Klassenzimmern. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass für jedes Kind abgewogen werden sollte, welche Einstellung verwendet werden soll.

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Session 7: Cochlea Implantate

Der erste Vortrag wird von Frau Anle Lesinski-Schiedat gehalten, die sich im Inhalt mit dem Thema Lebenszeit eines Cochlea-Implantates – verlängert durch die elektroakustische Strategie beschäftigt. Auch wenn Cochlea-Implantate mittlerweile bei Kindern, neben den Hörgeräten, eine Erfahrungs-basierte Versorgung ist, chirurgische Komplikationen selten sind, ist die Reimplantation und das Re-Fitting eine spezifische pathophysiologische Herausforderung. Einzelfälle zeigen, dass das refitting mit „neuen“ Implantaten unerwartete Schwieriegkeiten zeigen. In der Präsentation werden die Langzeiterfahrungen bei congenital ertaubten und mit CI versorgten Kindern dargestellt und deren Kommunikationsfähigkeiten im Bildungssetting. Außerdem wird von den im Kleinkindalter implantierten, als junge Erwachsene ohne medizinischen oder technischen Grund reimplantierten (sog „Upgrade Reimplantationen“) berichtet.

Der zweite Artikel gehalten von Volker Hamacher beleuchtet die neuen Ansätze zur Verbesserung der Neuro-Elektroden-Schnittstellen bei Cochlea-Implantaten. Um die Ergebnisse für CI-Träger weiter zu verbessern, arbeiten wir kontinuierlich an neuen Konzepten und Technologien, die darauf abzielen, die Elektroden-Nerven-Schnittstelle zu optimieren. Vor kurzem wurde ein medizinisches Tablet (AIM) entwickelt, das dem Chirurgen beim Einsetzen der CI-Elektrode ein Echtzeit-Feedback von den Resthaarzellen liefert. Damit soll der Chirurg bei der Optimierung des Einführungsprozesses unterstützt werden, um das Trauma zu minimieren, die empfindlichen Cochlea-Strukturen zu schonen und letztlich die Ergebnisse des Implantats zu verbessern. Wenn der Elektrodenträger vollständig eingeführt ist, kann AIM auch beurteilen, ob die Platzierung optimal ist, ohne dass die Spitze umknickt oder herausragt. Darüber hinaus bietet AIM postoperative Anwendungen, einschließlich der Erfassung der Elektrodenimpedanz, um sicherzustellen, dass die Elektrodenanordnung gut funktioniert, der neuronalen Reaktionen zur Bestätigung einer erfolgreichen elektrischen Stimulation und der Vorhersage des Hörniveaus, was Informationen liefert, die sonst bei kleinen Kindern oder Babys nur schwer zu erfassen wären. Ein spannendes Forschungsthema ist der Versuch, evozierte Potenziale, die von der höheren Hörbahn ausgehen, direkt über die CI-Elektrodenanordnung zu messen, ohne dass Kopfhautelektroden benötigt werden. Solche Messungen würden einen objektiven Einblick in die Art und Weise geben, wie das Gehirn die elektrische Stimulation wahrnimmt, und könnten daher von unschätzbarem Wert für die Programmierung von Sprachprozessoren und die Bestätigung des Fortschritts von Babys sein, die innerhalb ihres ersten Lebensjahres implantiert werden. Darüber hinaus werden innovative Elektrodentechnologien untersucht, die noch schonender eingeführt werden sollen, um die Cochlea-Strukturen noch besser zu schützen und die intracochleäre Frequenzabdeckung und Position zu verbessern. Vielversprechend erscheint die Forschung an einem selbstaufrollenden Elektrodendesign, das die einfache Handhabung einer geraden Elektrode mit der modiolusnahen Position einer vorgekrümmten Elektrode kombiniert. Neue funktionelle Beschichtungen der Elektrodenoberfläche, die die Reibung während des Einführens verringern oder Medikamente freisetzen sollen, um intracochleäre Entzündungen und Fremdkörperreaktionen zu minimieren, sind ebenfalls aktuelle Forschungsrichtungen, die in diesem Vortrag diskutiert werden.

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Der letze Vortrag der diesjährigen Konferenz wird von Jane Wolfe gehalten. Er referiert über die Neurophysiologische Merkmale von Kindern mit Hörverlust und unterschiedlichen Sprachleistungen fNRI und EEG bei Kindern mit Cochlea Implantaten. Die Hör- und Sprachleistungen von Kindern mit Hörminderung weisen eine große Variabilität auf. Ein Teil dieser Variabilität kann auf Unterschiede in der Gehirnentwicklung zurückgeführt werden, die mit der auditorischen Deprivation als Folge der Schwerhörigkeit einhergehen. Die funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) und die hochauflösende Elektroenzephalographie (EEG) sind nicht-invasive funktionelle Neuro-Imaging-Verfahren, die zur Bewertung der Gehirnaktivität eingesetzt werden. In der aktuellen Studie wurden fNIRS und High-Density-EEG eingesetzt, um die Hirnaktivität von Kindern mit normalem Hörvermögen und von Kindern mit Cochlea-Implantaten (Cis), die unterschiedliche Sprachleistungen zeigen, aufzuzeichnen, während sie eine Reihe verschiedener funktioneller Aufgaben lösten. In diesem Vortrag werden die Ergebnisse dieser Studie vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf Kohärenz- und Konnektivitätsmessungen liegt, die zur Bewertung von Gehirnnetzwerken verwendet wurden, die während des Ruhezustands aktiv waren. Das Hauptziel war es, festzustellen, ob die Unterschiede in der Gehirnaktivität mit den unterschiedlichen Sprachleistungen zusammenhängen.

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