Fallbericht einer bimodalen Anpassung mit ReSound Enzo 3D

Herr Klemens Zimmermann, Produktmanager bei GN Heraring Austria, berichtet über eine bimodale Anpassung mit einem ReSound Enzo 3D in Verbindung mit dem Nucelus 7 Sprachprozessoren von Cochlear.

Gelegentlich werde ich persönlich zu herausfordernden Anpassungen hinzugezogen, um mich mit einer anderen und vor allem unvorbelasteten Sichtweise in eine laufende Anpassung einzubringen. Neben dem persönlichen Kontakt zu Hörbeeinträchtigten schätze ich daran sehr, dass ich dabei in der Praxis immer wieder einiges über ‚meine‘ Hörgeräte und deren Funktionen lerne.

Klemens Zimmermann
Klemens Zimmermann – Produktmanager GN Hearing Austria

Diesmal wurde ich zu einer Anpassung eines ReSound Enzo 3D als Teil einer bimodalen Anpassung gerufen. Lukas Wagner (Name durch Redaktion geändert) ist hochgradig hörbeeinträchtigt, Mitte 30, wurde vor knapp 2 Jahren mit einem Implantat von Cochlear implantiert und unlängst auf den neuen MFi-tauglichen Klangprozessor Nucleus 7 umgestellt. Laut seiner Aussage ist Streamen von Telefonaten und Musik über das iPhone auf das Implantat zwar eine coole Sache, aber er vermisst dabei den Klang des Hörgerätes, speziell beim Streamen von Musik. Daher kam die Motivation ein kompatibles ReSound Hörgerät auszuprobieren, um dadurch bimodal streamen zu können.

Erste Anpasssitzung

Für mich stellte sich daher die Herausforderung der Nachversorgung eines Fremdgerätes mit mir unbekannten Einstellungen und zusätzlich das Herstellen eines Lautheitsausgleiches zum Implantat. Gerade bei resthörigen Personen ist der Klang der Hörgeräte etwas besonders wichtiges, da diese häufig alle ihre akustischen Reize ausschließlich von den Super Power Hörgeräten erhalten und daher der Klang dieser das menschliche Grundbedürfnis zur unterbewussten Verbindung zur Umwelt bedient (siehe Ramsdell ‚Three levels of hearing‘). Uns muss bewusst sein, dass wir als Akustiker hier tief emotional eingreifen. Grundsätzlich vermeide ich es dabei die Anpassung der alten Hörgeräte auszulesen (Messbox oder InSitu-Messung) und zu kopieren, da die Leistung der alten Hörgeräte über Zeit sicherlich nicht zugenommen hat und wir uns mit dem Kopieren der Einstellung in einer Abwärtsspirale bewegen würden. Manchmal bleibt einem aber kein anderer Ausweg als sich durch Ausmessen Klarheit zu verschaffen, wenn die Rückmeldungen des Hörbeeinträchtigten zu ungenau oder widersprüchlich erscheinen.

In meinem Fall ging ich ganz einfach vom Anpassvorschlag für einen erfahrenen WDRC Hörgeräteträger aus und die erste Rückmeldung „das klingt aber schön, ist aber noch zu leise“ klang bereits sehr vielversprechend. Eine InSitu-Messung mit Perzentilanalyse zeigte dann auch noch, dass zusätzlich zum Tieftonbereich für das Lautheitsempfinden auch Verstärkung um 2 kHz nötig und vor allem stabil möglich war. Spannend für mich war dabei, dass sich dadurch das Sprachverstehen vereinfacht hat, laut subjektiver Rückmeldung und auch laut Sprachtest. Spannend deswegen, weil ich vom hohen Anteil des Hörgerätes am Sprachverstehen in Kombination mit dem Implantat überrascht war.

Der Lautheitsausgleich zwischen dem Implantat, dessen Einstellung ich nicht verändern konnte und durfte, und dem Hörgerät war dafür überraschend einfach. Nachdem meine erste Idee vom Abspielen von schmalbandigem Rauschen über das Freifeld und der Lautheitsbewertung nicht funktioniert hat, über das Implantat werden diese Signale einfach anders wahrgenommen und sind daher nicht bewertbar, musste der uralte Test mit geschlossenen Augen zeigen, wo ich mich gerade im Raum befinde, herhalten. Schnell hat sich hierbei gezeigt, dass das Hörgerät im für die Lokalisation wichtigen Tieftonbereich etwas zu stark eingestellt war.

Zum Abschluss programmierte ich die gleichen 3 Hörprogramme wie auch im Implantat und gab diesen auch den gleichen Namen, damit später die bimodale Fernbedienung über das App einfacher sein würde. Ebenfalls übernahm ich mit dem Autobezug die Verstärkung des Basisprogramms auf die beiden Funkprogramme.

Zweite Anpasssitzung

Neben der weiteren Feinanpassung aufgrund sehr detaillierter Erfahrungen und auch Aufzeichnungen des Implantat- und Hörgeräteträgers, war das zweite Treffen vor allem für das Koppeln mit dem iPhone und der Einweisung geplant. Dafür musste nämlich in der Zwischenzeit die Klinik in der Cochlear Anpasssoftware das ReSound Enzo 3D Hörgerät zum Implantat koppeln. Durch diesen Vorgang wissen das Implantat und das Hörgerät, dass sie zu einer bimodalen Anpassung gehören und können von Smartphones als eine Einheit, rechtes und linkes Gerät, erkannt werden.

Schnell waren das Implantat und das ReSound Enzo 3D mit dem iPhone gepaart und konnten nun gemeinsam über das iOS Menü bedient werden. Länger dafür hat das Streamen von Musik gedauert, dafür hat sich Herr Wagner in der Auswahl des Musikstücks sehr viel Zeit genommen. Sein erstes bimodal gestreamtes Musikstück musste nämlich ein ganz besonderes sein! Das veranschaulicht, wie wichtig selbst für von an Geburt an hochgradig hörbeeinträchtigte Personen Musik sein kann, viel wichtiger als zum Beispiel für mich als Normalhörender. Das Leuchten in seinen Augen, als er sich endlich für ein Musikstück entschieden hatte, werde ich so schnell nicht vergessen.

Weiters hat ein Telefonanruf gezeigt, wie wichtig das Streamen des Telefonats auf beide Geräte für das Sprachverstehen in dieser schwierigen Situation ist, wo Lippenlesen nicht möglich ist. Da Herr Wagner unmittelbar nach unserem Termin auf Urlaub fuhr, habe ich noch ReSound Assist für die Möglichkeit einer Veränderung der Einstellung aus der Ferne aktiviert. 

Rückmeldung aus dem Urlaub

Neun Tage danach erhielt ich von Herrn Wagner ein Email mit weiteren Erfahrungen und Wünschen: erstens dürften wir in der Euphorie des bimodalen Streamings vergessen haben ein gewünschtes Induktionsprogramm zu erstellen, was ich kaum glauben aber schnell durch Öffnen der letzten Anpasssitzung in der Smart Fit überprüfen konnte, und zweitens auch eine Veränderung des Musikprogramms. Er beschrieb mir, dass er ebenso mit Kapselkopfhörern, die groß genug sind beide Ohren samt Klangprozessor und Hörgerät zu umschließen, Musik hört. Dabei dürfte das Hörgerät in manchen Frequenzen übersteuern. Diese Anforderung war mir neu und hat mich zusätzlich erstaunt.

Nachmittags hatte ich kurz Luft, um mich seinem Fall zu widmen und modifizierte die Einstellung im Simulationsmodus, das Hörgerät war ja ebenfalls auf Urlaub und somit weit entfernt. Das Induktionsspulenprogramm war schnell erstellt, ein eigenes Musikprogramm zum Musikhören mit den Kopfhörern konnte ich nicht erstellen, da bereits alle vier Hörprogramme belegt waren. Ein Blick ins Datalogging, das ebenfalls aus der Ferne wöchentlich die Tragegewohnheiten in die Cloud übermittelt und daher für mich verfügbar macht, zeigte mir, dass ich ruhigen Gewissens das bestehende Musikprogramm verändern konnte, da es nur in 0,3% der Zeit, also eigentlich nur zum Ausprobieren, verwendet wurde. Hier konnte ich die Einstellung aber nur auf gut Glück und Gutdünken modifizieren, da genauere Angaben fehlten. Diese Einstellung hätte ich aber bei einer ‚echten‘ physischen Anpasssitzung eigentlich auch kaum besser machen können, außer Herr Wagner hätte seine Kopfhörer samt HiFi-Anlage mitgenommen.

Im Datalogging konnte ich weiters sehen, dass der Anteil des Streamings, Telefonieren und Musikhören, bei erstaunlichen 20% lag. Das mag wohl hauptsächlich am Urlaub liegen, hat mich persönlich aber sehr gefreut, dass diese Funktion so rege verwendet wurde und damit sehr wichtig sein dürfte. Beim Speichern der neuen Einstellung in der Cloud schickte ich Herrn Wagner noch eine erklärende Nachricht und bat das Musikprogramm auszuprobieren. Für eine weitere Feineinstellung dieses Programmes ersuchte ich über das App den Klang selbst so zu optimieren, damit es für ihn gut klingt, abhängig vom verwendeten Kopfhörer und natürlich seinem individuellen Musikgeschmack, und danach über das App eine Anforderung zur Änderung der Einstellung zu schicken. In der Smart Fit kann man sich die Einstellung des Benutzers zum Zeitpunkt der Anforderung praktischer Weise einblenden lassen.

Änderung der Einstellung anfordern

Wenig überraschend, ich kannte Herrn Wagner und die Wichtigkeit des Musikhörens in der Zwischenzeit bereits recht gut, erhielt ich bald darauf eine Email der Cloud, dass er tatsächlich eine Änderung angefordert hat. Neugierig wie ich nun einmal bin, musste ich gleich nachsehen, ob er mir seine Klangoptimierung für das Musikprogramm mitgeschickt hat, siehe Screenshot unten: Klangoptimierung über das App in grün dargestellt.  

Aventa Software
Mit diesem guten Hinweis konnte ich den Frequenzverlauf des Musikprogramms seinem Geschmack anpassen, die MPO noch dazu korrigieren und die Einstellung wieder in die Cloud speichern. Ich hatte noch nicht einmal den Betreff einer erklärenden Email, die ich ihm zusätzlich schicken wollte, getippt, und ich beherrsche das 10-Finger System auf der Computertastatur eigentlich recht gut, da bekam ich bereits die Nachricht der Cloud, dass Herr Wagner den Klang des Hörgerätes mit „J- zufrieden“ bewertet hat.

Aventa Software

Also konnte ich mir die Email eigentlich gleich ganz sparen, ReSound Assist mit der intuitiven Benutzerführung hat mir das bereits abgenommen.

Bei dieser Anpassung konnte ich einiges dazulernen:

  • Das Hörgerät in einer bimodalen Anpassung erfüllt eine ganz wichtige und wesentliche Rolle in Bezug auf die Klangqualität und auch das Sprachverstehens des gesamten Systems, das aus zwei unterschiedlichen Modi (=bimodal), nämlich dem elektrischen Hören über das Implantat und dem akustischen Hören über das Hörgerät, besteht. Die Anpassung des Hörgerätes als Teil des bimodalen Systems, in meinem Fall ein Super Power Gerät, weicht von der gewohnten Arbeitsweise kaum ab. Ich habe es sogar als einfacher empfunden, da wir ‚nur‘ ein Hörgerät einzustellen haben, das den Lautheitsausgleich zum Implantat, in meinem Fall einer Fixgröße, schafft.
  • Eine gute Einstellung der Hörgeräte im Allgemeinen, bei hochgradigen Hörbeeinträchtigungen im Besonderen, sind die Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Hörgeräteanpassung für optimales Sprachverstehen und Klangqualität und die Arbeit des Akustikers nimmt damit eine Schlüsselrolle ein.
  • Binaurales Streamen ist ganz besonders bei hochgradigen Hörbeeinträchtigungen nicht nur eine unheimliche Erleichterung beim Telefonieren, sondern kann sogar über die grundsätzliche Möglichkeit des Telefonierens entscheiden (siehe ‚Speech Intelligibility Benefits of FaceTime: Advantages for Everybody‘), da damit das ohnehin schlechte Sprachsignal bestmöglich übertragen und der Signal-Rausch-Abstand verbessert wird. Bei direktem Streaming und ebenso bei Verwendung von Funkzubehör.
  • Die Möglichkeit der Feineinstellung aus der Ferne ist eine praktische Erleichterung für beide Seiten, dem Hörsystemträger und dem Hörgeräteakustiker. Die asynchrone Umsetzung im ReSound Assist hat den Vorteil, dass beide Seiten unabhängig voneinander ‚arbeiten‘ können, wann immer es beliebt, und ist dadurch hoch effizient und schnell. ReSound Assist stellt viele Details zur Tragegewohnheit und individueller Einstellung des Hörgeräteträgers zur Verfügung, und kann daher für die Veränderung von Kleinigkeiten, derer es besonders lästig wäre extra einen Termin ausmachen und anreisen zu müssen, aber auch für komplexe Veränderungen der Einstellung herangezogen werden.